Johannes Kohlschütter

Blink-182...

Wo andere schon draufgehauen haben, muss ich nicht auch noch. Deshalb setze ich hier keinen Link zu dem Video eines Satiremagazins, in dem der Vertreter eines Stromnetzbetreibers einen neuartigen Stromzähler vorzuführen versucht. Aber mal jenseits aller Häme: Was hat es eigentlich mit diesen neuartigen Zählern auf sich? Und sind sie wirklich so unbedienbar?

Das konnte ich neulich in einer Wohnung ausprobieren, in der so eine „moderne Messeinrichtung“ installiert war. Sie kann anzeigen, wieviel Energie man im Moment verbraucht und in vergangenen Perioden verbraucht hat. Dafür braucht man eine PIN, die man beim Stromnetzbetreiber anfordern kann. Um sie einzugeben, muss man den Zähler mit der Taschenlampe „anblinken“.

Stromzähler mit 3 eingegebenen Ziffern
Drei von vier Ziffern sind geschafft: Jetzt nur nicht vertippen, äh, verblinken.

Das ist zumindest etwas gewöhnungsbedürftig, und es drängt sich die Frage auf, ob man dafür nicht eine normale Taste hätte nehmen können. Allerdings wird in dem satirischen Beitrag nicht erwähnt, dass der vermeintliche Schwachsinn durchaus einen Grund hat: Manchmal sind die Zähler in verschlossenen Schränken installiert und lassen sich nur durch ein Fenster „bedienen“. So war es auch bei mir. Nach ein paar Versuchen habe ich es aber geschafft, und man muss es ja auch nur einmal machen. Bei aller Liebe zum Datenschutz bin ich aber nicht sicher, ob dieser Schutzmechanismus wirklich sein muss: Den Gesamtzählerstand zeigen die neuen Zähler genau wie die alten auch ohne PIN an. Menschen mit Blockwartambitionen können also trotzdem sehen, was ihre Nachbarn so verbrauchen.

Dass man nun im Keller sehen kann, dass der Kühlschrank gerade 60 Watt braucht, ist ja ganz nett. Doch wer außer einigen Nerds Leuten, die nix Besseres zu tun haben technikaffinen Menschen wird das überhaupt zur Kenntnis nehmen? Interessanter wird es, wenn die Daten nach draußen übermittelt werden. Wenn also die moderne Messeinrichtung durch ein Smart Meter Gateway zum intelligenten Messsystem wird:

Die europäischen Länder führen die neuen Zähler unterschiedlich schnell und konsequent ein. In Deutschland werden die meisten Haushalten sie zwar früher oder später zwar neue Zähler erhalten, aber (bei einem Verbrauch unter 6.000 kWh pro Jahr) erst einmal ohne das Gerät zur Datenübermittlung.

Was soll man als interessierter Laie davon halten?
Ich glaube der EU ja gern, dass die Richtlinien hinter den neuen Zählern von dem Wunsch getragen sind, Energie zu sparen. Vielleicht geht es auch ein bisschen um (lobbybedingte?) Wirtschaftsförderung: Irgendwer will die neuen Zähler etc. ja auch entwickeln, verkaufen, einbauen und die Daten strömen lassen. Von mir aus.

Mit dem Übergang zu erneuerbaren Energieträgern wird unser Energiesystem komplexer und dezentraler. Dass aktuelle Daten helfen, das Netz bestmöglich in Gang zu halten, scheint mir plausibel. Dazu kommen feinverteilte Steuerungsmechanismen, mit denen zum Beispiel Autoladegeräte abgeschaltet werden, wenn nicht genug Strom im Netz ist. Dabei kann ich natürlich nicht beurteilen, welche Daten wirklich relevant sind, wo sie erfasst und wie sie übermittelt werden müssen. Stündlich schwankende Strompreise für Privatleute muss wohl nicht jeder haben. Die Erkenntnis, dass die Zeit des billigen Nachtstroms aus ständig laufenden Atom- und Kohlekraftwerken vorbei geht, kann aber ruhig bei den Verbrauchern ankommen.

Deshalb bin ich bei aller Zurückhaltung gegen immer neue Geräte erst einmal aufgeschlossen gegenüber diesen neuen Zählern. Und wenn sie in einem Haus schon eingebaut werden, dann gern richtig, also mit Datenübermittlung.

Oder ist Vorsicht angebracht? Soll ich Angst davor haben, dass jemand bei den Stadtwerken aus meinem Stromverbrauch herausfindet, was ich gerade im Fernsehen anschaue (theoretisch geht das angeblich)?

Ich sag mal: Wer das schafft, hat diese Erkenntnis fast verdient. Doch wozu der Aufwand? Den einen oder anderen Film könnte ich ihm auch so empfehlen.


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