Johannes Kohlschütter

Zu schnell

Wie ich durchs Leben gehe, so fahre ich auch Auto: Linkisch und leise. Sollte ich hier ein zwinkerndes Emoticon einfügen? Ob das mit dem Leben nun stimmt oder nicht: Ich darf für mich in Anspruch nehmen, nicht als besonders schneller oder gar aggressiver Autofahrer zu gelten. Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Jetzt habe ich aber – nach fast zwanzig Jahren – meinen ersten Strafzettel bekommen. 70 statt 60 gefahren! Und nicht auf irgendeiner Fahrt, sondern als ich ein Wasserstoffauto ausprobiert habe.

Durch dieses an sich ärgerliche Ereignis habe ich entdeckt, dass die öffentliche Verwaltung – zumindest was Bußgelder angeht – schon in erstaunlichem Ausmaß „digitalisiert“ ist: Internetseite in fünf Sprachen inklusive Niederländisch! Beweisfotos runterladen! Elektronisch seinen Senf dazugeben! Zahlen mit Paypal! Das ist doch mal Bürgernähe 4.0. Und sind diese schönen Bilder nicht erstklassige Werbemotive für die Brennstoffzellentechnologie?

Blitzeraufnahme von vorne
Blitzeraufnahme von hinten
Hätte eine Agentur für 10 € nur annähernd so ausdrucksstarke Bilder geliefert?

Diese Erkenntnisse haben mich die 10 € Strafe (zuzüglich 5 € Bearbeitungsgebühr von der Autovermietung) mehr als verschmerzen lassen. Möge mein Beitrag Hessen wieder (oder: weiter?) nach vorn bringen, um mal den sozialdemokratischen Werbespruch aus den sechziger Jahren aufzugreifen. Zu schade, dass man „Angaben zur Sache“ im Internetformular nur dann machen kann, wenn man vorher ankreuzt, dass man sein Fehlverhalten nicht zugibt. Ich habe aber alles zugegeben. Deshalb auf diesem Weg: Danke an das Regierungspräsidium Kassel.

Einen Wunsch hätte ich noch: Könnte mein Beitrag bitte an die bedauernswerten Leute gehen, die in all den Bildern die Beifahrer wegradieren? Oder an die kaum weniger bedauernswerten Leute, die sich den Algorithmus ausgedacht haben, der das von selber macht?


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